Donnerstag, 2. März 2006
Regen und Tränen
Ich gehe langsam die Straße entlang. Meine Jacke ist schon lange vom gießenden Regen durchweicht und meine Haare kleben nass an meinem Kopf. Mir ist kalt und die dichten Regenschleier nehmen mir die Sicht, aber es ist mir egal. Niemand ist bei diesem Wetter draußen. Niemand der mich ansieht und niemand, den ich ansehen muss.
Nur ich und mein Gewissen. Gedanken rasen durch meinen Kopf, die unterschiedlichsten Erinnerungen und Erlebnisse.

Ich betrete einen ramponierten Kinderspielplatz und setze mich auf eine Schaukel. Die Umgebung wirkt bei diesem Sauwetter noch trostloser als sonst. Kinder spielen hier schon lange nicht mehr. Graffitis und zerstörte Spielgeräte beherrschen mein Blickfeld - ein richtiges Trümmerfeld. Lustlos krame ich eine Schachtel Zigaretten aus meiner Innentasche und zünde mir eine davon an. Der Rauch schmeckt bitter: Die Zigarette ist vom Regen durchnässt.
Nichts. Ich will nichts mehr. Am besten ewig mit leeren Gedanken hier im Regen sitzen.
Gestern erschien der Zeitungsartikel. „Junges Mädchen stürzte sich von einer 60 m hohen Brücke.“ Warum? Was hat dich dazu gebracht?
Über alles hättest du mit mir reden können. Warum hast du es nicht getan? Zornig schleudere ich die Zigarette zu Boden und zertrete sie. Tränen mischen sich in den Regen auf meinem Gesicht und ich beginne zu rennen. Ich weiß nicht wohin, doch es interessiert mich auch nicht. Der Schmerz in mir ist so unerträglich.

Plötzlich stoppe ich und sehe mich um. Ich stehe auf einer Brücke. Auf der Brücke. Ein kleiner Bereich des Geländers ist mit rot-weißem Band abgesperrt. Ich trete darüber hinweg und klettere auf das Geländer. Es geht tief herunter, sehr tief.
Doch noch lange nicht so tief wie mein Schmerz.
Langsam breite ich die Arme zu beiden Seiten aus und schließe, noch immer auf dem Geländer stehend, die Augen.

Die Sonne geht auf...

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Ein Neuanfang?
Ich sitze hier, ganz allein mit einer Zigarette in der Hand. Die Schachtel ist schon wieder leer. Voll Hohn lacht mich die Aufschrift an: "Rauchen kann tödlich sein!"
Schwarze, dicke Buchstaben auf weißem Grund, ummauert von schwarzen Balken. Ich balle meine Faust und zerquetsche die Schachtel. Achtlos werfe ich sie in irgendeine Ecke meines Zimmers. Ich stehe träge aus meinem gemütlichen Sessel auf und drehe das Radio an "Es ist nicht deine Schuld...." rocken die Ärzte aus den Boxen.
Aber ist es tatsächlich nicht meine Schuld? Wessen Schuld ist es dann? Warum bist du gegangen? Waren wir vielleicht beide Schuld daran...?

Ein Klopfen reißt mich aus meinen Gedanken, gefolgt von dem liebreizenden, hysterischen Geschrei meiner Mutter: "Mach die verdammte Musik leiser!" langsam schüttle ich den Kopf und muss wider meinen Willen grinsen, obwohl ich alles andere als glücklich bin. Ich nehme den letzten Zug von meiner Zigarette, blase den kalten Rauch als Ringe in die Luft und drücke die Kippe im übervollen Aschenbecher aus. Dann stelle ich das Radio wieder ab.

Durch das Chaos aus Klamotten, ausgelesenen Zeitschriften und Müll kämpfe ich mich zu meinem Kleiderschrank und nehme meine Winterjacke heraus, dann gehe ich hinunter.
Meine Mutter sitzt euphorisch starrend vor dem Fernseher - irgendein Shoppingsender läuft. "Bin gleich wieder da." murmle ich ihr zu und ziehe die Haustür hinter mir zu.

Das Wetter draußen ist genauso mies wie meine Laune - nasskalter Spätherbst. Schon nach wenigen Schritten durch den Nieselregen habe ich den Automaten erreicht. Ich ziehe eine Schachtel 'Lucky Strike' und reiße die Plastik-Einschweißung ab.

Während ich rauchend auf einer Bank sitze, kommt ein Pärchen vorbei, lachend und scherzend. Direkt vor mir bleiben sie stehen und küssen sich. Ich blicke zu Boden.
Nein, es ist nicht meine Schuld. Auch Nicht deine. Wir haben Beide Fehler gemacht und es lief vieles Schief. Ich kann dir dafür nicht böse sein.

Seufzend schnippe ich den Zigarettenstummel weg und stehe auf. Die Hände tief in meiner Daunenjacke vergraben gehe ich durch die Straßen. Glückliche Menschen kommen mir entgegen, ich blicke in lächelnde Gesichter.

Auf einmal, wie aus heiterem Himmel, stehst du vor mir. Ein verlegenes "Hi." ist alles, was du hervorbringst. Ich blicke dich an. Du bist noch immer wunderschön. Deine Wangen sind rosa vor Kälte, weiße Atemwolken kommen aus deinem Mund.
"Hi." antworte ich.

Wir sehen uns an. Sekunden werden zu Stunden, Minuten zu Tagen, während wir stumm dastehen. So viel ist zu klären, doch es braucht keine Worte. Wir wissen, was wir einander zu sagen haben, wissen, welche Entschuldigungen wir uns gegenseitig machen wollen, auch ohne dass wir sprechen. Die Stille wird unerträglich. selbst die Luft scheint den Atem angehalten zu haben.

"Es ist kalt hier." brichst du auf einmal das Schweigen. "Da drüben können wir was warmes trinken." Du gehst auf das Café zu.

Ich folge dir.

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